FAQ - Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten | Legasthenie

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Fallbeispiele | Wie äußern sich "Emotional-Motivationale Lernschwierigkeiten"? Wie (woran) erkennt man "Emotional-Motivationale Lernschwierigkeiten"? | Subtypen

Fallbeispiele

Anton: Fähigkeiten-Selbstkonzept

Anton (15 Jahre) besuchte die 8. Klasse einer Realschule. - Nach der Grundschulzeit, die unauffällig verlief, wechselte er in die 5. Klasse eines Gymnasiums. Ab dem 2. Halbjahr der 5. Klasse wiesen seine schulischen Leistungen deutliche Schwankungen auf. In der 6. Klasse waren immer stärkere Leistungseinbrüche zu verzeichnen. Seine Eltern organisierten für Anton umfangreiche Nachhilfe.

"Lernen und Leistungen" führte zu Hause zu immer stärkeren Konflikten. In der Schule bemängelten seine Lehrer seine geringe Unterrichtsbeteiligung. Anton lernte immer weniger. Am Ende der 7. Klasse wurde Anton nicht in die 8. Klasse versetzt. Auf Empfehlung der Schule erfolgte ein Wechsel auf eine Realschule. Hier wiederholte er die 7. Klasse. Im ersten Halbjahr auf der Realschule erzielte Anton durchschnittliche Leistungen. Aber im 2. Halbjahr fielen seine Leistungen wieder ab.

Sein unzureichendes Lernen und die resultierenden kritischen schulischen Leistungen hielten die Konflikte zu Hause aufrecht. Anton nahm mehr und mehr Gelegenheiten wahr, Schulstunden und Schultage zu schwänzen. Hausaufgaben erledigte schon lange nicht mehr. In der 8. Klasse lagen seine schulischen Leistungen wieder im versetzungskritischen Bereich. Nach Ansicht seiner Eltern hatte Anton "mit der Schule abgeschlossen".

Fachdiagnostik. Die Fachdiagnostik der LTE offenbart eine kognitive Leistungsfähigkeit (Intelligenz) im oberen Durchschnitt und erwartungswidrige schulische Minderleistungen. Antons emotional-motivationale Lernvoraussetzungen sind sehr kritisch. Sehr defizitär sind sein Schulisches Fähigkeiten-Selbstkonzept und seine Lernziele. Seine Schulunlust ist hoch. Kritisch sind auch seine Stressbewältigungsstrategien und sein Selbstwertgefühl. Anton leidet unter seinen Problemen.

Störungsentwicklung. Mit steigenden schulischen Anforderungen wuchs Antons Annahme (Gedanke) der Überforderung ("Ich kann das nicht"). Seine Zweifel wurden größer ("Ich schaffe das nicht"). "Lernen und Leistungserwartungen" wurde für ihn zu einer kontinuierlich größeren Bedrohung und psychischen Belastung. Anton entwickelte schließlich eine dysfunktionale Lern-Verweigerung und Schulabsentismus ("Heute ist es mir egal, ich lasse es einfach.").

Antonia: Lernmotivation

Antonia (13 Jahre) besuchte die 7. Klasse eines Gymnasiums und war versetzungsgefährdet. - Ihre Schulnoten in den Hauptfächern entwickelten sich seit der 5. Klasse negativ. Ihre Eltern organisierten für Antonia umfangreiche Nachhilfe. Nach der 6. Klasse wechselte sie auf ein anderes Gymnasium.

Antonia versuchte seit der 6. Klasse zunehmend, Lern- und Leistungssituationen zu meiden. Sie verweigerte das Lernen (s. Hausaufgaben), stattdessen nahm ihre Mediennutzung deutlich zu. Und sie schwänzte immer wieder Unterrichtstunden. Ihre Lernlücken wuchsen und ihre schulischen Leistungen wurden immer schlechter. Antonia war nicht mehr in der Lage, sich ihren Misserfolgen und ihrem Gefühl der Überforderung funktional zu stellen. Sie zog sich mehr und mehr zurück.

Fachdiagnostik. Die Fachdiagnostik der LTE deckt auf, dass ihre kognitive Leistungsfähigkeit, die im Durchschnitt liegt, nicht "gymnasial" ist. Ihre emotional-motivationalen Lernvoraussetzungen sind erwartungskonform sehr kritisch. Neben einem sehr defizitären Schulischen Fähigkeiten-Selbstkonzept bestehen sehr kritische Lern- und Leistungsziele und "so gut wie keine" Lern- und Leistungsmotivation. Antonia beurteilt emotionale Probleme (s. Ängste); schwer belasten ihre schulischen Schwierigkeiten sie und ihre Familie.

Störungsentwicklung. Eigene unrealistische schulischen Leistungserwartungen und die ihres psychosozialen Umfeldes (s. Eltern) festigten bei Antonia ein Gefühl der Überforderung und Minderwertigkeit: "Die Erwartungen meiner Eltern blockieren mich beim Lernen. Irgendwie kann ich nicht mehr lernen." Schließlich war sie davon überzeugt, schulische Lern- und Leistungsanforderungen nicht mehr bewältigen zu können und sie schwänzte immer häufiger die Schule, auch um negativen Rückmeldungen ihrer Lehrer/innen zu entgehen.

Phänomenologie. Wie äußern sich "Emotional-Motivationale Lernschwierigkeiten"? Wie (woran) erkennt man ""Emotional-Motivationale Lernschwierigkeiten"?

Es bestehen gravierende Lern- und Leistungsschwierigkeiten. Die schulischen Leistungen werden seit Monaten oder Jahren schlechter. Häufig können betroffene Schüler/innen ihre schulischen Leistungen nicht realistisch einschätzen und oftmals versäumen sie den Schulunterricht mit steigend wachsender Häufigkeit; von geistiger Abwesenheit über Schwänzen einzelner Unterrichtsstunden bis hin zum Schulabsentismus. Diese Schwierigkeiten bestehen auch nach einem Schulwechsel weiter.

Kognitive Lernvoraussetzungen. Betroffene Schüler/innen unterscheiden sich in ihren kognitiven Lernvoraussetzungen, besonders in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit (Intelligenz). Begleitend zu emotional-motivationalen Lernschwierigkeiten können "Lernschwierigkeiten bei AD(H)S", Lese- Rechtschreibstörungen oder Rechenstörungen bestehen. Ihre Lernlücken (s. Vorwissen) werden seit Monaten oder Jahren stetig größer. Und ihre wachsenden Lernlücken verstärken ihre emotional-motivationalen Lernschwierigkeiten.

Emotional-motivationale Lernvoraussetzungen. Betroffene Schüler/innen nehmen ihre gravierenden Lern- und Leistungsschwierigkeiten wahr. Aber ohne psychologisch-lerntherapeutische Hilfe können sie nicht funktional (hilfreich) damit umgehen. Denn stets sind ihre emotional-motivationalen Lernvoraussetzungen sehr kritisch: Schulisches Fähigkeiten-Selbstkonzept ("ich weiß, was ich kann") und/oder ihre Lernmotivation ("ich will lernen").

Lernen. Das Lernen ist unzureichend. Das Lernverhalten (s. Lernqualität) und/oder die Lernzeit (s. Lernquantität) betroffener Schüler/innen ist kritisch; dabei sind die Lerntechniken und/oder die Aufgabenbearbeitung oftmals unzureichend. Es besteht nur geringe oder keine Bereitschaft (s. Disziplin), sich beim Lernen anzustrengen oder durchzuhalten (s. Volition).

Psychische Belastungen. Oft bestehen seit Monaten oder Jahren gravierende Selbstwertprobleme, auffällige emotionale Probleme (s. Ängste), Verhaltens- und/oder Familienprobleme. Unter diesen Problemen leiden die betroffenen Schüler/innen. Und die Probleme belasten die gesamte Familie.

Subtypen

In der psychologisch-lerntherapeutischen Praxis zeigen sich drei Subtypen der emotional-motivationalen Lern-Leistungsstörung.

Emotional. Häufigkeit ca. 50 %. Das Kernsymptom vom Störungstyp "Emotional" ist ein defizitäres, unterdurchschnittliches bis weit unterdurchschnittliches Schulisches Fähigkeiten-Selbstkonzept bei durchschnittlichen Lern- und Leistungszielen. - Auffällig kritisch (s. dysfunktional) beim Störungstyp "Emotional" ist sein "Tun"; auffallend sind Lern-Disziplin und Lern-Volition (Durchhaltevermögen). Oftmals schiebt dieser Störungstyp das Lernen auf und/oder bricht das Lernen ab.

Motivational. Häufigkeit ca. 25 %. Das Kernsymptom vom Störungstyp "Motivational" sind defizitäre, unterdurchschnittliche bis weit unterdurchschnittliche Lern- und Leistungsziele und eine störungskritische Lernmotivation bei einem durchschnittlichen Schulischen Fähigkeiten-Selbstkonzept. - Auffällig kritisch (s. dysfunktional) beim Störungstyp "Motivational" ist sein "Wollen"; auffallend ist sein defizitäres Interesse am schulischen Lernen. Oftmals ist es diesem Störungstyp aber wichtig, nicht als "Versager" zu erscheinen ("ich könnte, wenn ich wollte").

Dieser Störungstyp ist prädestiniert für die Schulverweigerung; Schulverweigerung und Schulabbruch beginnen oft mit Schwänzen des Unterrichts. Für zweidrittel der Schüler/innen ist Schulunlust ein Grund zu schwänzen (s. Stamm, 2009, S. 29).

Emotional-Motivational. Häufigkeit ca. 25 %. Die Kernsymptome vom Störungstyp "Emotional-Motivational" sind ein kritisches (defizitäres) Schulisches Fähigkeiten-Selbstkonzept, kritische (defizitäre) Lern- und Leistungsziele und eine störungskritische Lernmotivation. - Betroffene Schüler/innen sind seit Monaten oder Jahren negativen Schulerfahrungen (s. Misserfolge) ausgesetzt. Diese bewirkten Selbstzweifel, geringes Selbstwertgefühl und defizitäres Schulisches Fähigkeiten-Selbstkonzept und führten zu einer steten Minderung der Lern-Leistungsziele und Lernmotivation.

Auch dieser Störungstyp weist aufgrund des immer stärker abnehmenden Interesses am schulischen Lernen ein erhöhtes Risiko zur Schulverweigerung auf; zumal Betroffene oftmals durch die gewählte Schulform kognitiv und die Leistungsanforderungen emotional-motivational überfordert sind.


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