FAQ - Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten | Legasthenie

Definition
Was sind "Emotional-motivationale Lernschwierigkeiten"?

Definition. "Emotional-motivationale Lernschwierigkeiten" sind gekennzeichnet durch zeitlich überdauernde erwartungswidrige schulische Minderleistungen. Die erwartungswidrigen schulischen Minderleistungen basieren auf "Lernproblemen", deren primäre Ursache gravierende Defizite in den emotional-motivationalen Lernvoraussetzungen sind.

Minderleistung. Zu den Kernsymptomen der emotional-motivationalen Lernschwierigkeiten gehört die schulische Minderleistung ("Underachievement"). Die betroffenen Schüler/innen zeigen schulische Leistungen, die erwartungswidrig unter dem Niveau ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit (Intelligenz) liegen. - Dabei sind die emotional-motivationalen Lernvoraussetzungen und das "Lernen" defizitär. Als emotional-motivationale Kernsymptome sind das Schulische Fähigkeiten-Selbstkonzept und/oder die Lernmotivation störungskritisch.

Lernprobleme. Emotional-motivationale Lernschwierigkeiten sind gekennzeichnet durch Defizite im "Tun" (Lernen) bei gleichzeitigem "Können" (Kognitive Leistungsfähigkeit). Es mangelt am notwendigen Lernen. Defizite im Lernen sind Ursache und Antrieb des Entwicklungsprozesses sich kontinuierlich verschlechternder Schulleistungen. Defizitär ist das Lernverhalten (s. Lernqualität), beispielsweise mangelt es bei Aufgabenbearbeitungen an Systematik, Aufmerksamkeit und Konzentration. Und/oder defizitär ist die Lernzeit (s. Lernquantität).

Die Lernerwartungen und/oder Leistungserwartungen des Schülers und/oder seines psychosozialen Umfeldes (s. Eltern und Lehrer) sind unrealistisch. Das Lernen ist konfliktreich. Wiederholt vermeidet der betroffene Schüler das Lernen. Immer wieder sind die Kognitionen dysfunktional und die lernbegleitenden Emotionen hinderlich (s. Prüfungsängste, Leistungs- und Versagensängste).

Entwicklung. Emotional-motivationale Lernschwierigkeiten unterliegen in Umfang und Schweregrad einem Entwicklungsprozess. Schließlich treten emotional-motivationale Lernschwierigkeiten oder Lernstörungen in mehreren Hauptfächern und zeitlich überdauernd auf. Der Entwicklungsprozess in die erwartungswidrigen schulischen Minderleistungen ist ein Grund dafür, dass diese gravierenden Lernschwierigkeiten oder Lernstörungen oftmals erst nach der Grundschule erkannt werden.

Grundschulalter. Bereits mit Eintritt in die Schule können psychische Lernschwierigkeiten auftreten; betroffene Kinder zeigen im Unterricht eine erhöhte Lernverweigerung. Verstärkt werden diese psychischen Lernschwierigkeiten durch kognitive Schwierigkeiten (s. Lernschwierigkeiten bei AD(H)S; Lese- und/oder Rechtschreibschwierigkeiten, Rechenschwierigkeiten). Die Lernschwierigkeiten können sich schon während der Grundschulzeit zu Lernstörungen entwickeln, so dass betroffene Kinder eine Klasse wiederholen oder die Grundschule verlassen müssen.

Jugendliche. Mit Anwachsen der schulischen Anforderungen treten die Symptome deutlicher hervor; die emotional-motivationalen Lernschwierigkeiten und die Lernrückstände erhöhen sich. Mit der Zeit entwickelt sich aus den Lernrückständen eine überdauernde Minderleistung ("Underachievement"); es kommen erwartungswidrige Minderleistungen in mehreren Schulfächern vor. Der Jugendliche kann die Leistungsanforderungen aufgrund seiner Lernschwierigkeiten und Lernlücken (s. defizitäres Vorwissen) nicht mehr erfüllen; erkennbar sind sein schulisches Fähigkeiten-Selbstkonzept und/oder seine Lernmotivation sehr kritisch.

Häufig müssen betroffene Jugendliche in ihrer Schullaufbahn eine Klasse wiederholen und/oder die Schulart wechseln. Diese Jugendlichen fallen auch durch Unterrichtsversäumnis, Schulschwänzen und Schulverweigerung auf. Es droht das Schulversagen. - Ohne psychologisch-lerntherapeutische und/oder (ergänzende) psychotherapeutische Intervention (Hilfe) ist die Schullaufbahn von Kindern und Jugendlichen mit einer "Emotional-motivationalen Lernstörung" nur selten begabungsadäquat.

Psychische Belastung. Kinder und Jugendliche mit emotional-motivationalen Lernschwierigkeiten erleben aufgrund ihrer Misserfolge Lern-Stress. Häufig entwickeln Betroffene können Prüfungsangst, Versagens- und Schulangst. Es bestehen Selbstwert-Probleme des Kindes (Jugendlichen). Vielfach entwickeln sich psychische Probleme und psychosomatische Beschwerden, eine emotionale Störung und/oder eine Störung des Sozialverhaltens. Die Schüler/innen und ihre Familien sind psychisch belastet. Die familiäre Interaktion und/oder die Interaktion mit Lehrer/innen sind belastet.

Klassifikation. Emotional-motivationale Lernschwierigkeiten und Lernstörungen.

Emotional-motivationale Lernschwierigkeiten (s. ICD-10 Z55.2) oder Lernstörungen (s. ICD-10 Z55.3) unterscheiden sich in ihrem Umfang und Schweregrad. Der Umfang wird bestimmt durch die betroffenen Schulfächer (s. Hauptfächer) und der Schweregrad wird bestimmt durch die erwartungswidrig schwachen schulischen Leistungen. Bei einer Lernstörung beträgt die Diskrepanz der schulischen Leistungen ? 1,5 Standardabweichungen (s. Regressionsmodell) zur kognitiven Leistungsfähigkeit (Intelligenz). Zudem wird der Schweregrad bewirkt durch personale und psychosoziale Risikofaktoren und den psychischen und psychosozialen Problemen des Betroffenen.

Prävalenz (Häufigkeit). Von Emotional-motivationalen Lernschwierigkeiten sind in Deutschland bis zu 15 % der Schüler/innen betroffen. Rund 12,5 % der Schüler eines Altersjahrganges tun sich mit dem Lernen so schwer, "dass ein schwerwiegendes und anhaltendes schulisches Leistungsversagen die Folge ist" (s. Gold, 2011, S. 17).
Schätzungsweise um 5 % der Kinder und Jugendlichen leiden unter einer Emotional-motivationalen Lernstörung. Bei rund 5 % der Kinder und Jugendlichen wird ein Schulabsentismus beobachtet, 6 % (bis 7,5 %) aller Schüler/innen beenden ihre Schullaufbahn ohne einen Hauptschulabschluss.


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